Neue Bahn-Fahrgastrechte: Was gilt bei Verspätung oder Zugausfall?

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Verspätungen sind bei der Deutschen Bahn keine Seltenheit. Eine neue EU-Verordnung bringt Änderungen bei den Fahrgastrechten mit sich. Was zahlt die Bahn bei Verspätung? Wann bekommt man Geld zurück?

In Sachen Pünktlichkeit ist die Deutsche Bahn kein Vorbild: Wie das Unternehmen selbst berichtet, kamen im Mai 2023 nur 65,5 Prozent der Züge des Fernverkehrs pünktlich an. Bei Zugausfällen und Verspätungen zahlt die Bahn Entschädigungen oder Erstattungen.

Mit der neuen EU-Verordnung (PDF-Dokument), die die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr regelt, müssen Bahnunternehmen in der EU nun keine Entschädigungen mehr zahlen, wenn Notfälle wie Extremwetter die Ursache sind.

Keine Entschädigung mehr bei „außergewöhnlichen Umständen“

Weiterhin gilt: Kommt der Zug 60 Minuten zu spät, gibt es 25 Prozent des Ticketpreises zurück, ab 120 Minuten beträgt die Entschädigung 50 Prozent. Neu ist: Liegen „außergewöhnliche Umstände“ vor, sind Eisenbahnunternehmen laut EU-Verordnung nicht mehr zur Zahlung verpflichtet. Dazu zählen extreme Witterungsbedingungen, große Naturkatastrophen, schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit oder Terrorismus. Auch bei „Verschulden eines Fahrgasts“ fällt die Erstattung weg oder Verhalten von Dritten, etwa wenn Menschen das Gleis betreten, Kabel gestohlen werden oder es einen Notfall im Zug gibt.

Die Verbraucherzentrale kritisiert die Novelle. „Die Vorgaben zur höheren Gewalt sind zu unpräzise formuliert“, so Gregor Kolbe vom Bundesverband (vzbv).

Bahn will auch bei gewöhnlichem Unwetter entschädigen

Nach Angaben der Deutschen Bahn werden Kundinnen und Kunden bei Verspätungen durch Unwetter wie Stürme oder Hochwasser auch in Zukunft entschädigt. Bei Ereignissen wie der Jahrhundertflut im Ahrtal 2021 falle der gesetzliche Anspruch zwar weg, die Bahn wolle sich aber jeden Einzelfall anschauen und den Fahrgästen gegebenenfalls mit Gutscheinen entgegenkommen. Bei Kabeldiebstahl oder Polizeieinsätzen am Gleis dagegen will die Bahn künftig keine Entschädigung mehr bei Verspätungen zahlen. Im Fall eines Streiks aber wird das Unternehmen weiterhin entschädigen. 

Taxi statt Bahn und Hotelübernachtung

Strandet ein Fahrgast am Abend an einem Bahnhof und kann die Bahn nicht für Ersatzverkehr sorgen, muss sie weiterhin für Unterkunft und Beförderung aufkommen. Hier ist die in Deutschland geltende Eisenbahn-Verkehrsordnung kundenfreundlicher als die EU-Verordnung, erklären die Verbraucherschützer des vzbv. Liegt die planmäßige Ankunftszeit zwischen 0 Uhr und 5 Uhr und ist eine Verspätung von 60 Minuten absehbar, können Fahrgäste mit dem Taxi ans Ziel fahren. Das gilt auch, wenn die letzte planmäßige Verbindung des Tages ausfällt und der Zielbahnhof bis 0 Uhr nicht mehr anders erreicht werden kann.

Auch wenn „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, steht Fahrgästen weiterhin eine Hotelunterkunft zu, die Unterbringung ist aber auf höchstens drei Nächte begrenzt.

Ausnahmen beim Deutschlandticket

Für reguläre Nahverkehrstickets gilt: Erreicht der gebuchte Zug sein Ziel mit mehr als 20 Minuten Verspätung, können Fahrgäste einen nicht-reservierungspflichtigen Zug des Fernverkehrs nutzen. Das gilt allerdings nicht für „erheblich ermäßigte“ Tickets, worunter auch das Deutschlandticket, aber auch Länder-Tickets oder Schönes-Wochenende-Tickets fallen. „Es ist unverständlich, warum Reisende bei Verspätungen nicht kostenfrei auf höherwertige Züge ausweichen dürfen“, kritisiert vzbv-Chefin Ramona Pop. Das schrecke potenzielle Käuferinnen und Käufer ab und gefährde die Mobilitätswende.

Wichtig: Werden für die Reise Nah- und Fernverkehrszüge kombiniert, gelten die Fahrgastrechte nur dann für die komplette Reise, wenn die Fahrt als durchgehende Verbindung gebucht wurde. Nah- und Fernverkehrszüge müssen auf demselben Ticket stehen. Um Fahrgastrechte in Anspruch nehmen zu können, müssten Reisende mit Deutschlandticket den Preis für die Nahverkehrsstrecke also zusätzlich bezahlen, obwohl sie dafür das Deutschlandticket nutzen könnten. Sie müssten abwägen, was wichtiger ist: die Preisersparnis durch die Nutzung des Deutschlandtickets oder die Fahrgastrechte für die gesamte Strecke.

Kürzere Frist bei Anträgen auf Erstattung

Bisher konnten Fahrgäste bei Zugausfall oder Verspätung ihre Anträge bis zu ein Jahr nach Ablauf der Gültigkeit der Fahrkarte einreichen. Mit der neuen Verordnung wird diese Frist auf drei Monate verkürzt. „Die DB wird aber im Regelfall sehr kulant sein und weiterhin die fahrgastrechtlichen Beschwerden auch nach Ablauf der Drei-Monats-Frist annehmen und bearbeiten“, erklärte die Deutsche Bahn dazu. 

Mehr Fahrradplätze und Barrierefreiheit

Bahnkunden bekommen aber auch mehr Rechte. Die EU-Verordnung sieht vor, dass künftig auch in Schnell- und Fernzügen grundsätzlich Fahrräder mitgenommen werden dürfen. Vorgesehen sind mindestens vier Stellplätze pro Zug. Ursprünglich seien vom EU-Parlament acht Plätze gefordert worden, kritisiert Alexander Kaas Elias vom ökologischen Verkehrsclub VCD und fordert weitere Maßnahmen, um Fahrräder besser zu befördern.

Außerdem sollen die Bahnunternehmen Fahrgästen mit Behinderungen eine bessere Betreuung anbieten, etwa beim Ein- und Aussteigen, auch in Regionalzügen, sofern die Passagiere das 24 Stunden vorher angemeldet haben. Spontane Fahrten für mobilitätseingeschränkte Menschen blieben so weiterhin Zukunftsmusik, kritisiert Elias.